Was die Entwickler der kalifornischen Spieleschmiede Blizzard Entertainment auch anfassen, es wird zu Gold: Die Spiele der Echtzeit-Strategiereihe Warcraft?
Mehr als 14 Millionen Mal verkauft.
Der Weltraum-Strategieklassiker Starcraft?
Im E-Sport-Pionierland Korea seit sechs Jahren an der Spitze der Spielecharts.
Das Actionrollenspiel Diablo 2?
Trotz arg angestaubter Grafik immer noch Genre-Referenz.
Blizzards neuester Geniestreich heißt "World of Warcraft" und ist ein sogenanntes Massive Multiplayer Online Role Playing Game (MMORPG), ein Spiel also, bei dem Tausende von Spielern gleichzeitig eine Onlinewelt erkunden und dort Abenteuer erleben. Und wieder einmal schicken sich die Kalifornier an, sämtliche Rekorde der Spiele-Industrie zu brechen.
Beim Onlinehändler Amazon gingen so viele Vorbestellungen ein, dass dessen "World of Warcraft"-Kontingent bereits zwei Wochen vor Auslieferung ausverkauft war; mehr als 400.000 Spieler nahmen am europäischen Beta-Test teil und heizten mit begeisterten Berichten die Hysterie weiter an.
In den USA ist das Spiel bereits seit November zu haben, und schon am ersten Verkaufstag stürmten dort mehr als 240.000 Gamer die Läden - nie zuvor wurden binnen der ersten 24 Stunden nach Verkaufsstart mehr Exemplare eines Computerspiels verkauft.
Der ewige Konflikt: Allianz gegen Horde
Fans der "Warcraft"-Reihe werden in "World of Warcraft" viele Schauplätze und Figuren wiedererkennen, etwa die uneinnehmbare Festung Ironforge, in der König Magni Bronzebeard über die Zwerge herrscht, oder die gewaltigen Urtum-Beschützer, die durch das Elfenreich Teldrassil wandeln. Denn wie die Echtzeit-Strategiespiele spielt auch "World of Warcraft" im Fantasyreich Azeroth, in dem zwei verfeindete Fraktionen um die Herrschaft kämpfen.
Zu Beginn entscheidet sich der Spieler für eine Seite: Menschen, Nachtelfen, Zwerge und Gnome ziehen für die Allianz in die Schlacht. Auf Seiten der Horde stehen Orcs, Untote, Trolle und die stierähnlichen Tauren zur Wahl.
Für Vielfalt sorgen außerdem neun Heldenklassen: Wer keine Lust auf die immergleichen Rollenspiel-Jobs Krieger, Heiler, Magier hat, kann als Hexenmeister Dämonen beschwören oder in die Rolle eines Jägers schlüpfen.
Aufträge als Jäger, Sammler oder Botenjunge
Bei der Charakterentwicklung setzt Blizzard ganz auf das bewährte Suchtprinzip des hauseigenen Rollenspielklassikers Diablo: Mit jedem Stufenanstieg locken neue, immer mächtigere Fähigkeiten und Zaubersprüche. Bis man seinen kleinen Zauberlehrling zum mächtigen Level-60-Erzmagier hochgezüchtet hat, vergehen Hunderte Stunden. Im Unterschied zu anderen Onlinerollenspielen bringt jedoch nicht stumpfes Monsterverhauen ("Grinden") den Spieler schnell voran. Geld und Erfahrungspunkte verdient man sich vielmehr am einfachsten mit Auftragsarbeiten.
Mal gilt es, ein Päckchen in eine andere Stadt zu bringen, mal müssen giftige Spinnen totgeschlagen, mal Relikte aus einer finsteren Höhle gerettet werden. Die Missionen sind so simpel gestrickt, dass auch ein Rollenspieleinsteiger sie problemlos meistern kann: Nur ein Weg führt zur Lösung, verpatzen kann man einen Auftrag nicht.
Frustmomente gibt es dennoch - etwa wenn man mal wieder 43 Ratten erschlagen musste, um an 12 Rattenohren zu kommen. Denn nicht jeder Gegner trägt die begehrten Trophäen bei sich, was die Missionen künstlich erschwert.
Auch für Einzelkämpfer geeignet
Stormwind, die Hauptstadt der Menschen: Grafik im Comicstil, aber stimmungsvoll umgesetzt
Damit das Spiel auch Gelegenheitszockern etwas bietet, hat sich Blizzard einiges einfallen lassen: Wer etwa in einem Gasthaus rastet und erholt ins Abenteuer zieht, erhält in den folgenden Kämpfen mehr Erfahrungspunkte.
Und während in den meisten MMORPGs der faktische Gruppenzwang regiert und Einzelkämpfer binnen fünf Minuten auf dem Friedhof landen, lassen sich in der "World of Warcraft" die meisten Aufgaben auch im Alleingang erledigen - für die schnelle halbe Stunde Daddeln zwischendurch.
Viel mehr Spaß macht es aber, in der Gruppe mit bis zu vier weiteren Abenteurern loszuziehen und die unterschiedlichen Fähigkeiten der einzelnen Heldenklassen im Zusammenspiel auszuprobieren: Der Krieger stellt sich dick gepanzert den Monstern entgegen, während der Jäger von hinten seine Pfeile abfeuert und der Priester verletzte Mitstreiter heilt. Eingespielte Teams können sich in die gefährlichsten Gebiete vorwagen, in denen "Elite"-Monster mächtige Schätze bewachen.
Schnell am Ziel dank Zwergen-U-Bahn und Greifentaxi
Stundenlange Gewaltmärsche durchs Ödland gibt es trotz der riesigen Spielwelt nicht, dafür sorgen Fähren, die Zwergen-U-Bahn und das Greifentaxi. Dennoch lohnt es sich, Azeroth zu Fuß zu erforschen: Zwar ist die comicartige Grafik des Spiels der Konkurrenz "Everquest 2" unterlegen, die Spielwelt mit ihren uralten Wäldern, verschneiten Bergen und lebendigen Städten wirkt aber sehr atmosphärisch und lässt sich zudem auch auf Mittelklasserechnern genießen. Mindestvoraussetzungen sind ein 800-MHz-Prozessor, 256 Megabyte Arbeitsspeicher und eine GeForce-2-Grafikkarte - das Spiel gibt's außerdem als Mac-Version.
Insgesamt erfindet Blizzard mit "World of Warcraft" das Genre der Onlinerollenspiele sicher nicht neu. Bewährte MMORPG-Zutaten, die fesselnde Hintergrundgeschichte von "Warcraft" und eine einsteigerfreundliche Bedienung bilden aber einen verführerischen Mix für alle, die dem Onlinegaming bisher nicht erlegen sind. Hardcore-MMORPGler sind mit dem anspruchsvolleren "Everquest 2" womöglich besser bedient.
Die breite Masse derer, die neben einem Onlinespiel noch ein Offline-Leben führen wollen, kann bei "World of Warcraft" bedenkenlos zugreifen. Allerdings könnte es eine gute Idee sein, sich ein paar Tage frei zu nehmen und Freunden und Familie gegenüber zu behaupten, man fahre in den Urlaub. Sicher ist sicher.
"World of Warcraft", Blizzard Entertainment, erhältlich ab 11. Februar 2005, ab 12 Jahre, Preis: 45 Euro, hinzu kommen die monatlichen Gebühren von rund 10 bis 12 Euro, je nach Laufzeit des Abos
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