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Thema: 03_Der Bote

  1. Standard 03_Der Bote

    Es war dunkel, aber Ijo konnte als Waldelf auch hier, im dichtesten Wald den er kannte, in der Nacht genug erkennen, um seinen Weg zu finden - zumindest meistens. Heute allerdings... heute war kein guter Tag. Zwei Mal schon war er einer Orkpatrouille nur um Haaresbreite entkommen und beim Mittagessen hatte ihn ein Skelett von seinen Vorräten getrennt. Jetzt schlich er mit knurrendem Magen durch den endlosen Wald, in der Hoffnung, ein leichtverdientes Abendessen zu finden. Eine Reisegruppe, ja, das wäre ideal...

    Langsam lichtete sich der Wald ein wenig. Nicht daß die Bäume so weit auseinander gestanden hätten, daß der Mond durchgeschienen hätte - nirgends im ganzen Wald kann Licht so tief dringen - aber dennoch konnte Ijo einen schwachen Lichtschein ausmachen. Ein Camp? Ja, dort würde er mit etwas Glück ein Abendessen bekommen. Im Austausch könnte er seine Fähigkeiten als Barde anbieten - die er nicht gerade gering schätzte. In Kelethin gehörte er zu den besten Schülern. Sein Talent war vielversprechend genug, daß man ihn alleine weggeschickt hatte. Kein leichter Auftrag, aber er würde die Barden nicht enttäuschen. In Greater Faydark selbst sollte er nicht allzu viele Probleme bekommen, falls er nicht gerade über eine zu große Horde Crushbone-Orks stolperte. Ein Ork alleine war ja keine besondere Bedrohung, zwei auch nicht, aber gegen zu viele von diesen blauen Plagen, konnte auch der beste Krieger nicht zu bestehen hoffen. Irgendwo hier, im westlichen Teil des Waldes, gab es angeblich einen Meisterbarden, der schon lange alleine in der Einsamkeit lebte. Ijo hatte den Auftrag erhalten, ihn zu finden.

    Während er sich langsam dem Licht näherte, konnte er schon den Geruch von gegrilltem Reh riechen. Auch wenn das die anderen Rassen gerne behaupten, Waldelfen ernähren sich nicht nur von Beeren und Wurzeln und so lief Ijo das Wasser im Munde zusammen, als er an das wartende Mahl dachte. Sein Magen knurrte laut, als er sich leise seinen Wag durch die letzten Meter Unterholz bahnte, die ihm von dem Lager trennten. Sobald er allerdings den ersten Blick auf sein Ziel geworfen hatte, verfluchte er den heutigen Tag erneut. Der Eingang zu Crushbone! Verdammt seien die Götter und ihr seltsamer Sinn für Humor. Gerade als Ijo sich vorsichtig wieder zurückzihen wollte, hörte er hinter sich ein Rascheln. Mit seinem hastig gezogenen Schwert konnte er gerade noch den ersten Hieb parieren und verhindern, daß der kleine, drahtige Ork hinter ihm, seinem Leben ein aprutes Ende setzte. Der Alarmschrei der stinkenden Kreatur ließ sich allerdings nicht mehr unterbinden. Hier, im dichten Unterholz war der Ork eindeutig im Vorteil. Seine kleinere Körpergöße ermöglichte es ihm, sich freier zu bewegen als der Waldelf, der doch beinahe zwei Köpfe größer war. Ijo mußte hier so schnell als möglich hinaus - ohne dem Ork eine einfache Gelegenheit für einen tödlichen Stoß zu liefern. Die einzige Möglichkeit war, rücklinks aus dem Gestrüpp heraus, direkt auf die Lichtung vor dem Eingang zu Crushbone, wo unzweifelhaft genügend Orks warteten, um ihm den Gar aus zu machen - wobei, jetzt würden sie sicher nicht mehr warten, sondern müßten jeden Moment hier im Unterholz eintreffen... Ijo sah seine einzige Chance in seiner Geschwindigkeit. Wenn er die Lichtung schnell genug überqueren konnte...

    Der Waldelf ließ sich auf den Boden fallen und entging damit einem weitern Schlag des kleinen Orks, rollte den letzten Meter auf die Lichtung und sprang dann, so schnell er konnte, auf. Tatsächlich waren schon mehrere Orks - mindestens 6 - auf dem Weg zu ihm. Als sie ihren Feind erblickten, stießen sie einen lauten Schlachtruf aus, der unweigerlich mehr Orks anlocken mußte. Ijo fluchte in Gedanken und rannte los, direkt auf die Orks zu. Als ihn nur mehr wenige Meter vor den blauen Gestalten trennten, stieß er einen grauenvollen Schrei aus: laut, schrill und schmerzlich, wie er es als Barde gelernt hatte. Einer der Orks lies sogar vor Schreck sein rostiges Schwert fallen, aber zwei, anscheinend Veteranen, konnte der Barde damit nicht beeindrucken. Sie holten aus und versuchten ihre Waffen in den Waldelfen zu rammen. Eine Axt konnte er mit seinem Schwert im Vorbeirennen abblocken, auch wenn er durch die Wucht danach seinen Arm kaum mehr spührte, aber der zweite Schlag durchdrang die Rüstung des Barden und hinterließ eine brennende Wunde an seiner rechten Schulter. Ijo schaffte es, nicht zu stolpern, rannte unbeirrt weiter, hinter ihm die lauten Schritte seiner Verfolger. Sein Schrei hatte weniger bewirkt, als er gehofft hatte und die Wunde an seiner Schulter würde schon bald seinen Schwertarm ermüden lassen. Und das alles ohne Abendessen... Es sah wirklich nicht gut aus.

    Dann geschah etwas, mit dem weder Ijo noch die Orks gerechnet hatten. Ein Mann in Lederrüstung stürtzte auf die Lichtung. Er sprang dort aus dem Unterholz, wo Ijo die Lichtung verlassen wollte. Schulterlange braune Locken und ein zerzauster Bart waren alles, was der Waldelf vom Gesicht des Unbekannten erkennen konnte. Er war mindestens zwei Köpfe größer als der Barde und weitaus breiter. In der einen Hand hielt der Mann, den Ijo als Barbar einordnete, ein langes, schlankes Schwert, das der Barde wohl mit beiden Händen führen hätte müssen und in der anderen einen verzierten Parierdolch. Er stürzte sich auf die Orks, die verwirrt zu einem Halt gekommen waren und schnitt mit seinem Schwert zwei um, bevor die anderen noch reagierten. Ijo war ebenfalls stehen geblieben, unschlüssig, ob er in den Kampf eingreifen sollte. Einer gegen vier... Der Waldelf zog sein Schwert und attackierte die Orks von der anderen Flanke. Während er sich verzweifelt gegen zwei Orks zur Wehr setzte, kam er nicht umhin, den Kampfstil des anderen Mannes zu bemerken. Viel gewandter und flinker, als er es ihm bei dieser Körpermasse zugetraut hatte, wich er den Schlägen der Orks aus, wehrte die schartigen Waffen ab und fand immer wieder eine Stelle, wo die Verteidigung schwach genug war, um seinem Schwert einen Treffer zu erlauben. Ijo kannte Barbaren nur aus Erzählungen und Bilder, aber so hatte er sie sich nicht vorgestellt. Das entsprach eher den Waldelfen Kriegern und Ranger.

    Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die verbleibenden vier Orks tot zu ihren Füßen lagen, aber Ijo sah schon die Verstärkung kommen. Der Krieger hatte sie anscheinend auch entdeckt, denn er machte sich wieder kampfbereit und sagte in der Sprache der Waldelfen: "Wenn wir die besiegt haben, schnappen wir uns das Reh und dann nichts wie weg." Ijo begann zugrinsen. Ja, so war es schon viel mehr nach seinem Geschmack.

  2. Standard

    Die entbrennende Schlacht war hart. Sie hatten es auch dieses Mal wieder mit einer dreifachen Übermacht zu tun, allerdings schienen diese Orks besser trainiert, ihre Waffen nicht ganz so schartig und ihre Rüstungen weitaus widerstandsfähiger. Die beiden Männder bluteten bald aus mehreren Wunde, von denen allerdings keine wirklich ernst war. Sie waren nicht auf einander eingespielt, aber Ijo merkte rasch, daß sich ihre Kampfstile gut ergänzten. Und so fiel Ork um Ork, bis beide Männer von oben bis unten mit dem Blut der stinkenden Kreaturen besudelt waren und der Boden langsam feucht wurde. Der Barbar trieb sein Schwert dem letzten Ork durch das rechte Auge und Ijo machte sich daran, seine Klinge zumindest notdürftig zu reinigen. Nur eine gut gepflegte Klinge wird dir lange dienen, das hatten ihm die Schwertmeister eingebläut. Auch der andere Mann wischte seine beiden Waffen an den Gewändern der Leichen ab.

    Ijo wartete noch einen Augenblick auf ihn und deutete dann auf das Reh, das noch immer über dem Feuer hing. "Holen wir es uns schnell, bevor die nächste Ladung Orks spielen will!" Sie rannten beide auf ihr Abendessen zu und machten sich mit großer Eile daran, einen Teil des Rehs abzuschneiden. Das ganze Reh wäre zu groß und hinderlich bei der ihnen sicherlich bevorstehenden Flucht gewesen. Tatsächlich hatten sie es gerade geschafft, die beiden Hinterläufe abzutrennen, als Ijos feine Ohren das erneute Klappen von Waffen und Rüstungen hörte. Seltsamerweise hatte auch der Barbar die Geräusche vernommen und drückte Ijo einen Teil ihrer Beute in die Hand, bevor sie los liefen.

    "Wohin jetzt?" keuchte er und der Waldelf runzelte nachdenklich die Stirn. Crushbone... sie befanden sich also nicht dort, wo er eigentlich angenommen hatte... Hier irgendwo in der Nähe gab es einen kleinen See. Allerdings wußte er nicht, ob Orks wasserscheu waren. Angeblich gab es in Crushbone sogar einen Fluß... Aber bei dem Gestank der blauen Plagen, konnten sie nicht oft baden gehen. "Da lang!" Ijo deutete in die Richtung, wo er den See vermutete und legte ein rascheres Tempo vor. Der größere Mann hatte offensichtlich Probleme ihm zu folgen, da er immer weiter zurück fiel. Schweren Herzens verlangsamte der Waldelf seinen Lauf wieder ein wenig, sodaß der Barbar zu ihm aufschließen konnte. Keuchend aber an sonsten Stumm liefen sie viele Minuten ebeneinender her. Ijo lauschte die ganze Zeit angestrengt, ob er die verfolgenden Orks noch hören konnte, aber das laute Pochen in seinen Ohren verhinderte, daß er allzu viel wahrnahm.

    Dann endlich, als sich seine Lunge anfühlte, als müßte sie jeden Moment bersten, hatten sie den See erreicht. Er war kleiner, als Ijo ihn in Erinnerung hatte, aber immer noch groß genug, daß man etliche Meter schwimmen mußte, um zu Insel in seiner Mitte zu gelangen. Am Ufer ließ sich der Barbar schnaufend auf den Boden fallen und drehte sich schwerfällig auf den Rücken. Ijo hätte es ihm am Liebsten gleich gemacht, aber sie mußten die Insel erreichen. "Steh auf!" Schnaufte er atemlos. "Da drüben rasten wir!" Der Waldelf deutete auf die Insel, nicht sicher, ob der Barbar sie überhaupt sehen konnte... Moment! Wie bei allen Göttern hatte er ihm folgen können, wo doch keine der Menschenrasse in der Nacht irgendetwas erkennen konnte? Gerade als in Ijo Zweifel aufkeimten, erinnerte er sich an Erzählungen über magische Schätze. Viele von ihnen befähigten den Träger Unsichtbare zu sehen, oder eben auch in völliger Finsternis. Beruhigt streckte er dem Mann seinen gesunden Arm hin und halft ihm auf, was den Waldelfen beinahe sein Gleichgewicht kostete. Sie wateten zu zweit so weit in das Wasser, wie sie noch stehen konnten und schwammen dann zur Insel. Das Reh wurde dabei zwar auch naß, aber besser ein nasses Abendessen als gar keines.

    Auf der Insel gab es ein paar niedrige Bäume und viel Gestüpp. Die beiden Männer hatten Probleme, bis ins Innere der Insel vorzudringen, so dicht und dornig waren die Büsche, aber Ijo wußte von einem früheren Ausflug her, daß es dort einen etwa 3 mal 3 Meter großen unbewachsenen Fleck gab, der durch das Gebüsch von allen Seiten sichtgeschützt war. Als die beiden sich ihren Weg durch das Grünzeug bahnten, bemerkte der Waldelf, daß sein Retter leicht hinkte. Das war wahrscheinlich auch der Grund dafür, daß er bei ihrer Flucht so zurückgefallen war. Ijo nahm sich vor, den großen Mann danach zu fragen. Immerhin war er als Barde auch ein wenig in den Heilkünsten unterrichtet worden - aber zuerst würde er diese wohl für seine eigene Schulter einsetzen müssen. Das kühle Wasser hatte den Schmerz zwar ein wenig verebben lassen, aber jetzt brannte es mehr als zuvor.

    Endlich hatten die beiden Männer die 'Lichtung' gefunden und ließen sich erschöpft auf den weichen Boden fallen. Ijo machte sich vorsichtig daran, seine Lederrüstung auszuziehen, um seine Schulter versorgen zu können aber schon nach wenigen Handgriffen wies ihn der anderen Mann an, sich ruhig hinzusetzen und schälte den Waldelf behutsam aus seiner Rüstung. Als Ijo dann mit nacktem Oberkörper auf der Lichtung saß, merkte er, daß es für die Jahreszeit doch noch recht kühl war. Der Barbar kramte in seinem Rucksack und holte nach wenigen Augenblicken einen Tigel und ein paar Bandagen hervor. Ijo war froh, daß er sich nicht selbst versorgen mußte. Die Anstrengungen des heutigen Tages hatten sehr an seinen Kräften gezehrt und er war sich nicht sicher, ob er das Lied der Rgeneration jetzt noch richtig anstimmen konnte. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn und nur die Hand des Barbaren, die sich geistesgegenwärtig um seinen Mund legte, verhinderte, daß er laut aufschrieh. Während der Mann langsam den Inhalt des Döschens auf der verletzten Schulter verteilte, traten dem Waldelfen vor Schmerz Tränen in die Augen. Doch schon als der Barbar mit gekonnten Handgriffen die Schulter bandagierte, war der stechende Schmerz und das Brennen einem dumpfen Pochen gewichen und Ijo lies sich erschöpft wieder gegen den Baum sinken. Er schloß die Augen und antmete ein paar Mal bewußt durch, versuchte sich zu sammeln und seine Aufmerksamkeit wieder auf die Welt dort draußen zu richten, wo wahrscheinlich eine Horde Orks noch immer nach ihnen suchte.

    Als Ijo die Augen wieder öffnete, hatte der Mann neben ihm seine Beinrüstung ausgezogen und fluchend einen blutigen Verband freigelegt. Der Waldelf hatte also Recht gehabt, sein Retter war anscheinend schon verletzt in diese Schlacht gekommen. Vielleicht war es doch an der Zeit für sein Regenerationslied? Aller Instrumente beraubt, mußte Ijo eben nur mit seiner Stimme alleine auskommen und so stimmte er die ersten Takte an, als der andere Mann plötzlich seine große Hand wieder auf seinen Mund drückte und zischte: "Bist du wahnsinnig, Waldelf?! Irgendwo ganz in der Nähe streunen Orks durch den Wald, die ihre gefallenen Kammeraden rächen wollen und du willst ihnen mit deinem Gejaule den Weg zeigen?!" Beinahe beleidigt entschlüpfte Ijo der Hand und erwiederte leise: "Mit dem Bein hast du keine Chance, ihnen nochmals zu entkommen. Ich könnte das ändern, wenn du mich nur singen lassen würdest - so nennen wir das nämlich in Kelethin!" Der große Mann nickte und zu seinem Erstaunen stellte Ijo fest, daß er die spitzen Ohren eines Elfes hatte. "Ja, natürlich hast du es nur gut gemeint... Aber damit sollten wir bis morgen warten, ok? Dann sehen wir weiter." Der Waldelf nickte seuftzend und griff nach den beiden Rehkeulen. "Abendessen?" Der große Elf nickte grinsend und nahm das angebotene Essen, "Das ist der beste Vorschlag, den ich heute gehört habe." Nach den ersten paar Bissen fasste sich Ijo ein Herz und stellte sich vor: "Ich bin Ijo, Barde aus Kelethin, im Auftrag meiner Gilde unterwegs. Und was treibt dich alleine hier in den Wald?" Der große Elf wischte sich die Hand an seinen Hosen ab und reichte sie Ijo. "Othender aus Felwithe, aber du kannst mich einfach Oth nennen. Ich bin auf der Suche nach Abenteuern." Der Waldelf starrt ihn mit offenem Mund an. Ein Hochelf?! Oth rollte mit den Augen, als er den Blick des kleineren Elfen bemerkte. "Das mit dem Bart ist eine lange Geschichte, ok? Belassen wir es dabei..." Ijo nickte, immer noch überrascht und fragte: "Gehörst du auch einer Gilde an?" Aber Oth schüttelte nur den Kopf und antwortete mit vollem Mund: "Es gab da eine kleine Meinungsverschiedenheit... Ich sollte mich in nächster Zeit auch nicht mehr in Felwithe blicken lassen..." "Falls du darüber reden möchtest..." Oth unterbrach den Waldelfen mit einem stummen Kopfschütteln und deutete dann auf dessen Rehstück. "Iß auf und dann leg dich hin. Ich halte die erste Nachtwache."

    In der Nacht hatte Ijo genug Zeit zum Grübeln, als er in die Finsterniss des Waldes starrte und auf Orklaute lauschte. Ja, sein Kampfgefährte war ein Hochelf, das erkannte er jetzt bei genauerer Betrachtung. Er hatte schon von Hochelfen gehört, die Bärte trugen, allerdings waren diese äußerst selten und ausschließlich glatt. Dieser Elf hier hatte die krausen Haare eines Menschen. Und das Gesicht war nicht die einzige Stelle an der er, im Gegensatz zu den anderen Hochelfen, Unmengen von Haaren hatte. Gut, ein Barbar war sicher haariger, aber für einen Elfen war das hier auf keinen Fall normal. Ijo betrachtet das Gesicht des Hochelfen genauer während der fest schlief. Eine Narbe verlief von der Stirn über die linke Braue, nur knapp am Auge vorbei. Sie lies ihn verwegener und älter wirken. Der Waldelf nahm sich vor, Oth morgen beim Frühstück nach seinem Alter zu fragen. Nachdem der Hochelf ja auf Abenteuersuche war, konnte er doch genauso gut mit Ijo mitkommen um den Einsiedlerbarden zu suchen. Ja, er würde auch diese Frage seinem Kampfgefährten stellen. Außerdem wäre es wichtig zu erfahren, auf welche Fähigkeiten er zurückgreifen konnte. Wenn Oth ihm schon nicht seine ehemalige Gilde nennen wollte, zumindest das sollte er doch tun. Wieder nickte Ijo und machte sich dann gleich auch noch Gedanken über das Frühstück. Hier auf der Insel selbst gab es nichts Essbares und anscheinend waren auch dem Hochelfen seine Vorräte irgendwie abhandengekommen. Also suchte der Waldelf den Faden, den er in Oths Gepäck wußte, da der damit seine verletzte Schulter genäht hatte, band daran ein kleines Stückchen Fleisch, daß vom Abendessen noch übrig war, steckte noch mehr für weitere Köder ein und machte sich dann daran, wieder durch das Dickicht zum See zu gelangen.

    Es war schon seit Stunden hell im Wald - zumindest so hell, wie es hier unter Tags eben wurde. Ijo hatte inzwischen 4 Fische gefangen, sein blutverschmiertes Gewand gesäubert und keine Orks entdeckt. Zum andern Ufer wollte er allerdings nicht öfter als unbedingt nötig schwimmen. Das Wasser würde der frischen Wunde sicherlich nicht gut bekommen. Aber seine Elfenaugen waren scharf genug, um beinahe alles zu erkennen. Nur eben Spuren konnte er auf diese Entfernung erfahrungsgemäß nicht ausmachen. Es wunderte ihn ein wenig, daß Oth noch nicht aus dem Dickicht gekommen war. Ijo bahnte sich vorsichtig wieder seinen Weg ins Innere, in der einen Hand die improvisierte Angel, in der anderen seine Beute. Der Hochelf lag noch immer so auf der Lichtung, wie der Barde ihn verlassen hatte. Furcht stieg in ihm auf, vielleicht war er gestorben? Er legte die Fische ins Gras und ging neben seinem neuen Kampfgefährten in die Knie, legte vorsichtig eine Hand an dessen Hals und fühlte zu seiner Erleichterung einen kräftigen Puls. Allerdings mußte es den großen Elfen doch stärker erwischt haben, als der Barde angenommen hatte. Ijo stubste Oth leicht an und sagt laut: "Wie magst du deinen Fisch? Roh oder roh?" Mit einem Ächtzen öffnete der Hochelf seine Augen und blinzelte den Waldelfen müde an. "Fisch...? Ah... mir tut jeder einzelne Knochen weh." Nachdem sich Oth aufgerappelt hatte, legte Ijo ihm grinsend einen Fisch auf den Schoß. "Ich hoffe, Hochelfen essen auch rohen Fisch. Feuer sollten wir hier keines machen." Oth antwortete seuftzend: "Wenn du wüßtest, was Hochelfen alles machen..." Als der Waldelf ihm einen fragenden Blick zuwarf, deutete Oth nur grinsend auf den Fisch und machte sich daran, seinen aufzuschneiden.

    Während Oth sein kaltes Frühstück verzehrte, beobachtete er den Waldelfen nachdenklich. Der Barde wirkte so jung, so unerfahren. Wie konnten ihn seine Gildenmeister nur alleine quer durch den Wald schicken? Zu zweit hätten sie wohl beide bessere Überlebenschancen. Aber wollte er überhaupt überleben? Oth grübelte noch eine Weile über diesen Punkt nach und beschloß dann, den Barden zu begleiten. Wenn schon Oth selbst sein Leben nicht so wertvoll erachtete, der junge Waldelf hatte es sicherlich nicht verdient zu sterben, weil ein Hochelf zu selbstsüchtig war. Während Oth seinen dunken Gedanken nachhing, rätselte Ijo, was wohl im Kopf seines Kampfgefährten vor sich ging. Ihm war der düstere Blick nicht entgangen und ein Mal mehr fragte er sich, welcher Grund den Hochelfen wirklich aus seiner Heimatstadt getrieben hatte.

    Als sie beide ihr Frühstück beendet hatten, packte Ijo die beiden verbleibenden Fische ein und machte sich daran, seine Sachen wieder zusammen zu sammeln. Es überraschte ihn ein Wenig, als Oth plötzlich sagte: "Ich denke, ich werde mit dir kommen, so das nicht im Widerspruch zu deinen Anweisungen steht." Ijo blickte mit freudigem Lächeln von seinem Rucksack auf und sagte: "Gerne! Ich denke, da draußen gibt es noch einige Orks, denen wir das Fürchten lehren müssen."

  3. Standard

    Ijo hatte Recht gehabt, wieder ein Mal. Das merkte er, als sie das Ufer erreicht hatten und triefend naß aus dem Wasser stiegen. Seine Schulter pochte schmerzlich. Die Schwimmbewegungen und das Wasser waren eine unangenehme Kombination gewesen und Othenders Wunde schien ebenfalls wieder zu schmerzen. Langsam entfernten sie sich vom dem See, Ijo voran, der hinkende Hochelf mit zusammengebissenen Zähnen hinten drein. Nachdem sie einige Minuten so durch den Wald gewandert waren, bliebt Ijo stehen und drehte sich zu seinem Gefährtn um. "Bist du dir sicher, daß ich das nicht heilen soll?" Er deutete auf Oth's inzwischen wieder blutgetränkten Verband, aber der Hochelf schüttelte den Kopf. "Nein, wir sind noch zu nahe dran. Wir müssen noch mindestens eine Stunde gehen." Ijo nickte, hatte er doch eine ähnliche Antwort erwartet. "Stütz dich auf mich, dann sind wir schneller." Der Waldelf dankte Tunare dafür, daß die Verletzung an Oths rechtem Bein war und er sich somit auf die gesunde Schulter des kleineren Waldelfen stützte. Auch so dauerte es nicht allzu lange und Ijo war sich sicher, etliche blaue Flecken von dem Hochelfen davon zu tragen. Ah, wie konnte ein Hochelf nur so schwer sein?

    Als Ijo der Meinung war, daß die Stunde um sei, blieb er stehen und Oth sank erschöpft auf den Boden. Der Hochelf schien am Ende seiner Kräfte zu sein und protestierte nicht, als der Barde zu singen begann. Beide saßen sie schweißgebadet am kühlen Waldboden, Ijo sang hochkonzentriert und Oth hatte sein Schwert gezogen, neben sich auf den Boden gelegt und war bereit, jederzeit aufzuspringen und Orks - oder andere Angreifer - in die Flucht zu schlagen. Lange saßen sie so am Boden, an einen Baum gelehnt, bis Ijo sein Lied beendete. Seine Stimme war heiser und seine Kehle ausgedörrt. Sein Wasserschlauch war ebenfalls Beute des Untoten geworden, aber er wußte, daß der Hochelf einen vollen Wasserschlauch bei sich führte. Er wollte ihn um einen Schluck bitten, mußte aber feststellen, daß dieser, mit dem Schwert über seinen Knien, eingeschlafen war. Grinsend holte Ijo den Wasserschlauch aus dem Gepäck seines Gefährten und setzte sich wieder neben ihm an den Baum. Eine Stunde Rast würde schon nicht schaden. Mit seinen scharfen Ohren sollte er die Orks schon von weitem hören können.

    Als Othender wieder aufwachte, war die Stunde erst zur Hälfte um. Iritiert blickte sich der Hochelf um. Er hatte geträumt... er hatte Geträumt! Das hieß, er war eingeschlafen! Das durfte nicht passieren, ihre Verfolger konnten jeden Augenblick hier auftauchen! Als Oth sich aufrappelte und erstaunt feststellte, daß die Schmerzen in seinem Bein so weit nachgelassen hatten, daß er es wieder normal belasten konnte, erhob sich auch Ijo und sagte beruhigend zu dem offensichtlich aufgeregten Hochelfen: "Du hattest die Pause bitter nötig. Und fang nicht wieder mit den Orks an. Falls sie noch hinter uns her sind, dann hätte ich sie rechtzeitig gehört und wenn wir keine Pause gemacht hätten, wärst du wohl nach wenigen Metern zusammengeklappt. Und ich kann dich nicht tragen... Jetzt können wir den restlichen Tagesm***** hinter uns bringen - wenn es dein Bein zuläßt." Oth nickte, der Waldelf hatte ja recht, es hatte keinen Sinn sich deswegen aufzuregen, und machte sich neugierig daran, den blutigen Verband abzuwickeln. Die Wunde darunter hatte begonnen zu heilen, aber nicht so schnell, wie Ijo es eigentlich erwartet hatte. Aber auch der Hochelf war erstaunt und fragt den Barden mit gerunzelter Stirn: "Wie hast du das Gift neuralisiert?" "Gift?" Oth nickte und kramte aus seinem Rucksack frische Bandagen heraus, die er mit geübten Handgriffen anlegte. "Ja, Gift. Ein paar von diesen bescheuerten Pixies haben mich angegriffen. Ihre Dolche waren vergiftet." Der Waldelf musterte seinen Gefährten zweifelnd und sagte dann langsam: "Pixies greifen keine Elfen an. Und soweit ich weiß, ist das Gift tödlich, wenn man nichts dagegen unternimmt. Warum hast du gesagt, du begleitest mich, wenn du gewußt hast, daß du es nicht mehr bis zum Ziel schaffen wirst?" Oth war inzwischen fertig und antwortete seuftzend: "Erstens habe ich den Pixies nichts getan, dennoch haben sie mich attackiert. Ich weiß nicht, vielleicht hat man ihnen Dinge über mich erzählt, die nicht stimmen, vielleicht waren sie einfach nur tollwütig... Und zweitens war mir klar, daß ich sterben werde, aber das Gift wirkt langsam. Ich hätte dir noch einige Tage gegen die Orks und sonstige Bestien hier helfen können, bevor du mich zurücklassen hättest müssen." Als der Hochelf merkte, daß der Barde noch immer nicht überzeugt war, sagte er: "Komm, das können wir auch beim Gehen besprechen. Ich will nicht, daß wir unsern Vorsprung verlieren." und ging los. Ijo schaute ihm einige Sekunden nach, zuckte dann mit den Schultern und eilte ihm nach. Vielleicht hatte der Hochelf ihm nicht alles erzählt. Aber sie kannten sich noch nicht Mal einen Tag. Er konnte nicht erwarten, daß sein Begleiter ihm seine tiefsten Geheimnisse und seine Lebensgeschichte anvertraute. Vielleicht sollte er den ersten Schritt machen... Achja, die Fragen, genau...

  4. Standard

    Zwei Tage später erreichten die beiden Elfen die hohen Säulen, des Wizard-Portals. Die Reise war ereignislos verlaufen, die Orks hatten die Verfolgung anscheinend aufgegeben und so konnten sich die beiden Mänenr die Zeit mit Erzählungen vertreiben. Ijo hatte dem Hochelfen viel von sich berichtet. Er hatte von seiner Familie erzählt, davon, wie es ist, hoch oben zwischen den Bäumen aufzuwachsen. Oth hatte erfahren, daß Ijo von seinem Vater schon früh im Schwertkampf unterrichtet worden war und das passte gut mit seiner eigenen Beobachtung des Waldelfen zusammen. Natürlich war ihm aufgefallen, wie geübt der Barde mit seiner Waffe umging, wie gekonnt er die Schwächen der Verteidigung nutzte, um seinen Gegner wieder und immer wieder zu Treffen. Was Oth allerdings überraschte, war die Tatsache, daß der Waldelf gar nicht so jung war. Ijos Geburtstag mußte schon etwa so lange zurückliegen, wie sein eigener. Ijo hatte dem Hochelfen sein Leid über sein Aussehen geklagt. Die Kriegergilde hatte ihn wieder nach Hause geschickt, als er sich dort bewerben wollte und auch den Rangern war er 'zu jung' gewesen. Einzig die Barden wollten es mit ihm versuchen. Ijos Vater war darüber sehr enttäuscht gewesen und der Meinung, daß sein Sohn sich einfach nicht genügend angestrengt hatte. Seit damals gab es ein sehr gespanntes Verhältnis zwischen den Beiden. Ijo hatte den Auftrag der Barden ohne viel nachzudenken angenommen, wahrscheinlich, um den ewigen Vorwürfen zuhause zu entgehen, vermutete der Hochelf.

    Ijo hingegen hatte kaum etwas über Oth erfahren. Der haarige Hochelf war eher schweigsam. Er schien die Erzählungen das Barden zwar zu genießen, lauschte jedem einzelnen seiner Worte, wenn es allerdings an ihm war, etwas von sich preiszugeben, kam Ijo immer nur kurze Episoden über verschiedene Einwohner Felwithes zu hören. Der Waldelf war beinahe ein wenig frustriert darüber. Der Krieger war ihm sympatisch, er wollte ihn gern besser kennen lernen, aber dazu gehörte doch auch die Vergangenheit.

    Je nähe die beiden dem Gate kamen, desto unruhiger und vorsichtiger wurde Othender. Ijo hatte diese Veränderung schon bald bemerkt, allerdings nichts gesagt. Er konnte sich den Grund eigentlich denken. Der Krieger hatte ja erwähnt, daß er sich in Felwithe nicht mehr so schnell blicken lassen sollte. Hier, rund um die vier hohen Steinsäulen, gab es immer wieder Hochelfenpatrouillen, die genau überprüften, wer Faydwer auf diese Art und Weise betrat. Noch waren die beiden keinem solchen Trupp begegnet, aber die Chance, an ihnen vorbei zu schlüpfen waren sehr gering.

    Und tatsächlich stellten sich schon bald zwei Hochelfen in glänzender Rüstung und zwei berobte Magiekundige in ihren Weg. Ein Hochelf mit kurzen blonden Haaren und einer dunkelgrünen, fast schwarzen Robe forderte sie auf, stehen zu bleiben. "Nennt Eure Namen und den Grund für Eure Reise!" Ohne zu zögern antwortete Ijo: "Wir sind im Auftrag der Bardenvereinigung von Faydwer und Antonika unterwegs. Mein Name ist Ijo Woodwind und das ist mein Kampfgefährte..." Oth unterbrach ihn und sagte, während er sich tief verneigte: "Shamus Felligan, zu diensten."

  5. Standard

    Die Hochelfenpatroullie musterte die beiden Reisenden mißtrauisch, lies sie aber dann ohne Probleme passieren. Als sie ein gutes Stück außerhalb der Reichweite der Hochelfen waren, blieb Ijo stehen und drehte sich zu Othender um. Er bemerkte erstaunt, daß sein Kampfgefährte einen einfachen Lederhelm trug, der seine spitzen Ohren verhüllte und vom Gesicht praktisch nur mehr den lockigen Bart zeigte. Als Oth den Blick des Hochelfen bemerkte, nahm er sich das Ding rasch ab und stopfte es wieder in seinen Rucksack. "Warum hast du sie belogen und einen falschen Namen genannt?" wollte der Barde wissen. Seinem Tonfall entnahm der Hochelf, daß sein Kammerad wohl nicht nur erstaunt darüber war. Den verärgerten Unterton konnte man beim besten Willen nicht überhören. Oth antwortete seuftzend: "Ich weiß nicht, ob du nicht Probleme bekommen hättest, wenn sie mich erkannt hätten..." "Aber du kannst sie doch nicht einfach belügen!" antwortete der Waldelf entrüstet, "Damit bist du nicht besser, als die ganzen Diebe und Wegelagerer, die sich hier herumtreiben würden, wenn es diese Patrouillen nicht gäbe!" Othender nickte. So naiv diese Ansicht auch war, der Barde hatte damit schon irgendwie recht und das gefiel dem stämmigen Hochelfen überhaupt nicht. "Ja, ich weiß, daß das falsch und eines Hochelfen nicht würdig war, aber ich bin inkognito unterwegs und das hat gute Gründe. Auch wenn es nicht die richtige Lösung war, war es doch die einzige. Ich möchte mit keinem von meinem Volk die Klingen kreuzen, wenn es sich vermeiden läßt." Der Barde wollte zu einer hitzigen Antwort ansetzen, aber Oth brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen und fuhr fort: "Es tut mir leid, daß ich dir die ganze Geschichte nicht erzählen kann, du scheinst ein wirklich netter Kerl zu sein und das Herz am rechten Fleck zu haben, aber wir kennen uns wahrlich noch nicht lange genug für solch einen Schritt. Es tut mir ebenfalls leid, wenn du durch diese Tat ein falsches Bild von mir bekommst, aber dagegen kann ich zur Zeit nichts tun." Mit diesen Worten m*****ierte der Hochelf weiter und Ijo folgte resigniert.

    Die nächsten zwei Tage beobachtete Ijo seinen Gefährten sehr genau. Er wollte hinter das Geheimnis das bärtigen Hochelfen kommen und wenn der nicht von selbst zu reden beginnen wollte, so mußte er sich eben auf seinen Instinkt und seine Wahrnehmung verlassen. Ob Oth das bemerkte oder nicht, er verhielt sich nicht anders als bisher. Ijo allerdigns hatte immer ein wachsames Auge auf seinen haarigen Gefährten, selbst während der Nachtwache beobachtete er weiter. Oth schien öfters pro Nacht böse Alpträume zu haben und murmelte immer wieder Tunares Namen - wenigstens war noch nicht alle Hoffnung verlohren, dachte Ijo beruhigt. Der Barde fand es außerdem interessant, daß sein Gefährte eine Lederrüstung trug, wie sie sonst nur Druiden, Ranger oder Barden bevorzugten. Allerdings war der Rucksack das Hochelfen verdächtig schwer... Ijo betrachtete zwar die Lederrüstung genauer - und kam zu dem Schluß, daß sie waldelfisches Handwerk sein mußte - aber er hatte doch Skrupel, in den Habseligkeiten seines Gefährten zu stöbern. So blieben ihm nur die kurzen Augenblicken, wenn Othender etwas aus seiner Tasche holte, um deren Inhalt mit mäßigem Erfolg zu erspähen.

    Am Mittag des dritten Tages lichtete sich der Wald so weit, daß die dahinter liegenden Hügel langsam sichtbar wurden. Ijo war sich nicht ganz sicher, an welcher Stelle sie den Wald verließen, es gab mehrere Wege hinaus in das Hügelland und so beschloß er, daß sie dem Weg noch eine kurze Strecke folgen würden, bis er sich orientieren konnte.

    Am Fuße eines der unzähligen Hügel, im Schatten einer kleinen Baumgruppe, machten die beiden eine Rast und berieten ihr weiteres Vorgehen. Ijo wußte ungefähr, wo er den Meisterbarden suchen mußte. Angeblich wohnte er am Waldrand, wahrscheinlich nördlich von hier, aber der Waldelf war sich noch nicht ganz sicher, wo die beiden das Hügelland betreten hatten. Othender bereitete gerade das Mittagessen vor, als Ijo plötzlich schwindlig wurde. Er fühlte, wie ihm kalter Schweiß ausbrach und er zu zittern begann. Oth schien es noch schlimmer erwischt zu haben, denn er taumelte gegen den Baum, an dessen Stamm sie Rast gemacht hatten und war kalkweiß geworden. Ijo bildete sich ein, ein leise Lachen zu hören - vielleicht hielt sich hier ein bösartiger Magiekundiger versteckt, der mit ihnen seine Spielchen treiben wollte...? Der Waldelf versuchte seine Gedanken zur Ordnung zu zwingen, während Othender zusehends verfiehl. Sobald ich meinen Bogen spanne, weiß er, daß ich weiß, daß da wer ist... Er muß noch ein Geräusch machen... Dann kam dem Barden ein Einfall. Er griff nach seinem Bogen und richtete ihn auf seinen Gefährten, der gerade seine letzte Mahlzeit wieder ans Tageslich beförderte, und rief: "Was hast du gemacht? Hast du mich verhext?!" Ijos Worte drangen nur undeutlich an sein Ohr, das Sprechen fiehl ihm schwer, aber ihr Peiniger hatte den Köder anscheinend geschluckt und als Oth ein weiteres Mal gegen den Baum taumelte und endgültig zu Boden ging, nahm Ijo das Kichern wieder wahr. Es kam aus dem Baum gegenüber. Einen Wimpernschlag später kippte eine kleine, berobte Gestalt aus dem Geäst, durchbohrt vom Pfeil des Barden. Leider ließ das Schwindelgefühl und der Schüttelfrost nicht nach. Zu allem Überdruß erhoben sich Knochen, die neben dem Baum gelegen hatten und denen weder Ijo noch Oth besondere Aufmerksamkei geschenkt hatten, und formten ein etwa elfengroßes Skelett, daß sich sofort auf den Barden stürzte. Der Waldelf zog sein Schwert in dem Wissen, daß es eine denkbar ungünstige Waffe gegen diese Art von Untoten war und verhinderte, daß das Skelett mit seiner Sense den Kopf des jungen Barden abschnitt. Beinahe panisch blickte er sich um, während er Schlag für Schlag parierte, und versucht eine bessere Waffe zu entdecken. Eine Keule... oder... Othenders Rucksack! Der war sicherlich schwer genug, um dem Skelett zumindest unangenehm zu werden. Ijo blockte einen weiteren Hieb der feindlichen Waffe ab und packte dann mit beiden Händen den Rucksack. Mit aller Kraft, hieb er auf das Skelett ein, das daraufhin in seine einzelnen Knochen zerfiel. Rasch beförderte der Barde die tödliche Sense aus der Reichweite des Untoten, der sich langsam wieder erhob und nun mit knöchernen Fäusten auf Ijo losging. Der Waldelf hieb mit dem Rucksack wie wild auf das Skelett ein, bis es zum zweiten Mal in seine Einzelteile zerlegt am Boden landete. Dieses Mal wartete Ijo nicht, bis es sich wieder aufrichten würde, sondern sprang mit seinem ganzen Gewicht auf den Schädel des Untoten, der in tausend Einzelteile zerbarst. Die bösartige Magie schien gebrochen, denn das Skelett erhob sich kein weiteres Mal. Ijo taumelte wieder zu seinem Gefährten zurück, der regungslos am Boden lag und lies sich zwischen ihrem Gepäck zu Boden sinken. Er mußte diesen Fluch brechen, irgendwie los werden und das schnell! Der Barde fühlte, wie er mit jedem Atemzug schwächer wurde. Selbst wenn der Zauber sie nicht umbringen würde, so wären sie doch eine leichte Beute für jedes andere Wesen, das sie zufällig finden würde. Ijo versuchte das Lied der Regeneration anzustimmen, mußte aber shcon nach den ersten Lauten feststellen, daß er nicht mehr zu Gesang fähig war. Vielleicht hatte Oth ja noch etwas Brauchbares in seiner Tasche! Er hatte immerhin auch dieses Döschen mit Heilsalbe gehabt. Der Waldelf packte den Rucksack seines bewußtlosen Kammeraden und leerte dessen Inhalt auf die Wiese. "Moin, ihr zwei." Eine tiefe Stimme, ganz in der Nähe ließ den Barden erschrocken aufschauen, was von einem heftigen Schwindelanfall begleitet wurde. Neben dem toten Magiekundigen stand ein Zwerg in voller Plattenrüstung. Er hatte den Leichnahm anscheinend untersucht, ohne von Ijo bemerkt zu werden. "Hat der Nekro mit euch angeeckt?" Natürlich, ein Nekromant! Dann hatte das Skelett natürlich auch zu ihm gehört und den Tod seines Meisters rächen wollen. Und Nekromanten waren auch Meister der Flüche und Krankheiten. Der Barde nickte mit verbittertem Gesichtsausdruck. Dann würden sie wohl schon bald sterben, falls nicht zufälligerweise ein Heiler des Wegs kam. Der Zwerg schlenderte zu den beiden Elfen und entdeckte die Lacke Erbrochenem neben dem Hochelfen. "Hat euch der Gnom verhext? Kann ich euch helfen?" Ijo versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. War es normal, daß Zwerge Elfen einfach so das Leben retteten? Aber in seinem Kopf war nur mehr buntes Chaos, die Gedanken trieben in wogenden Fäden dahin und ließen sich nicht mehr unter Kontrolle bringen.

    Als sich Ijos Augen wieder öffneten, blinzelte er in das helle Licht der strahlenden Sonne. Langsam rappelte er sich auf, während dunkle Erinnerungsfetzen wieder zum Vorschein kamen. Ein Kampf... gegen einen Nekromanten... der tödliche Fluch... Voller Sorge drehte er sich zu seinem Gefährten, erwartete halb einen toten Hochelfen zu erblicken, halb ein leergeräumtes Camp zu entdecken, aber nichts davon war der Fall. Ijo sah gerade noch, wie der Zwerg, der neben Othender kniete, einen Zauber auf den Elfen wirkte und dann damit begann, ihm einen Verband um den Kopf zu wickeln, während der Hochelf langsam wieder an Farbe gewann. Als der Zwerg damit fertig war, stand er wieder auf - und war so kaum größer als im Knien, was Ijo schmunzeln ließ - und stapfte zurück zu dem Waldelfen. "Sieht so aus, als hätte euch der Wicht ordentlich erwischt." Er setzte sich vor dem Barden ins Gras und plapperte weiter: "Ich bin Kerm Hammerhand, Paladin aus Kaladim. Ich komm' grad aus Lesser Faydark, warst du schon 'mal dort? Grauenvoller Wald, wirklich... Ja, ich weiß, ihr Elfen liebt die Bäume, aber glaub mir, dort würdest selbst du dich unwohl fühlen. Was da für Viecher rumlaufen... Eigentlich wollten wir ja ein paar Dunkelelfen verhauen. Angeblich haben dort ein paar ihr Lager aufgeschlagen." Ijo blickte den Zwerg bei diesen Worten entsetzt an - Dunkelelfen, so nahe? - und der Zwerg quasselte unbeirrt weiter. "Leider sind wir nicht mal bis dort hin gekommen. Ich war noch mit zwei weiteren Kumpels unterwegs. Gram, ein Krieger und Merto, ein Prister Brells. Tja, Merto musste ich in dem verfluchten Wald begraben und Gram hab ich bis nach Felwithe geschleppt, wo die besten Heiler wahrscheinlich noch immer um sein Leben kämpfen. Dieser verdammte Maulesel von einem Einhorn hat uns aufgelauert. Keine Chance gegen das Vieh. Und weit und breit natürlich auch kein Priester zum Wiederbeleben zu finden... Ein paar Stunden später und ihr hättet wahrscheinlich auch einen gebraucht. Sag mal, junger Elf, seid ihr beide im Auftrag des Hochelfenkönigs unterwegs?" Von der aprupten Frage überrascht, blickte Ijo den Zwerg verwirrt an, worauf dieser auf einen goldenen Gegenstand im Gras zeigte und weiter plapperte: "Naja, mir ist das Ding da aufgefallen... Das Abzeichen der Ehrengarde - keine Sorge, ich werd's niemandem weiter erzählen. Dann habt ihr wohl auch einen wichtigen Auftragt, war der Gnom deswegen hinter euch her?" Ijo kam gerade dazu, mit den Schultern zu zucken, als er den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, war der Zwerg schon wieder am Reden: "Dann solltet ihr euch vielleicht besser ein wenig bedeckt halten. Hier kommen oft Reisende vorbei. Komm, ich helf dir, eure Sachen vom Weg weg zu bringen. Da hinten ist eine Senke, da könnt ihr rasten, ohne daß man euch gleich entdeckt." Kerm wartete nicht auf eine Antwort des Elfen, sondern rappelte sich schnaufend wieder auf, packte Othender an den Füßen und schliff den großen Hochelfen mit einer Leichtigkeit hinter sich her, die Ijo trotz der Geschichten, die er über Zwerge schon gehört hatte, niemals für möglich gehalten hätte. Der Barde sammelte rasch die verstreuten Gegenstände wieder ein und kam dann mit dem Gepäck und den Waffen hinter her. Der Zwerg ging noch ein mal zurück, um den Leichnam des Gnoms zu 'versorgen', wie er es nannte und Ijo vermied tunlichst, auch nur einen zufälligen Blick darauf zu erhaschen. Wenige Minuten später tauchte Kerm wieder in der Senke auf und drückte Ijo einen Beutel in die Hand. "Ich würde ja gerne noch länger bleiben und mit euch plaudern, aber ich muß so schnell als möglich nach Kaladim zurück und Bericht erstatten. Paßt auf euch auf!" Mit diesen Worten machte der kleine Paladin kehrt und kletterte wieder zum Weg hinauf, wo ihn Ijo schon bald aus den Augen verlohren hatte.

    Es dauerte noch über eine Stunde, bis sich der Hochelf wieder regte. Ijo saß noch immer mit dem Beutel in der Hand, den ihm der Zwerg gegeben hatte, ohne auch nur einen einzigen Blick hinein geworfen zu haben und war tief in Gedanken versunken, während er seinen Kampfgefährten nachdenklich musterte. Die Hochelfische Ehrengarde also... dann war Othender wohl ein desertierte Paladin. Warum hatte er die vergiftete Wunde an seinem Bein nicht selbst geheilt? War er vielleicht gar ein gefallener Paladin, hatte er Tunares Gunst und damit seine magischen Kräfte verlohren? Das würde erstens erklären, warum er nicht über das Vorgefallene sprechen wollte und zweitens weshalb er von keinem Hochelfen erkannt werden wollte.

  6. Standard

    Als Othender dir Augen wieder aufschlug und in den hellen Himmel blinzelte, hatte Ijo etwas entdeckt, daß ihm einen kalten Schauer den Rücken hinunter jagde. Eine Dunkelheit, so finster und abgrundtief, wie er sie noch nie erblickt hatte. Sein Kampfgefährte trug sie in sich! Der Waldelf nahm sich entsetzt vor, den großen Hochelfen noch wachsamer zu beobachten. Was ihn aber noch weitaus mehr verstöhrte, war die Tatsache, daß es eben diese Finsternis war, die auf ihn selbst eine durchaus wahrnehmbare Anziehung ausübte. Irgendwie fühlte er sich zu Othender hingezogen!

    Während Ijo seinen Kammeraden mit einem Blick anstarrte, der an pure Panik grenzte, setzte sich dieser mit einem grunzenden Geräusch auf und blickte sich desorientiert und ein wenig weggetreten um. "Ijo, was ist los?" fragte er nach einigen Sekunden. "Mein Kopf fühlt sich an, als hätte eine Horde Orks darauf herumgetrampelt und ich hab einen Geschmack im Mund, als hätte ich in einen hineingebissen. Was schaust du mich so entsetzt an?" Ein grauenvoller Verdacht keimte in dem haarigen Hochelfen auf und so rasch es ging, rappelte er sich auf. Oth zog sein Schwert, allerdings klebte da kein frisches Blut daran. Leider war das noch keine Garantie, daß er nicht... Er warf das Schwert von sich und rief: "Ijo, was ist geschehen?! Was habe ich getan?!" Dieses Mal war es an dem Hochelfen, beinahe der Panik zu verfallen. Der Barde richtete seinen Blick auf das Gesicht seines großen Kammeraden und sagte langsam: "Ich glaube, es gibt da etwas, das du mir erzählen solltes, Othender. Du hast nichts gemacht. Ein Gnomnekromant hat uns beinahe getötet, aber mein Pfeil war schneller als sein Gift. In finde es interessant, daß du als erstes denkst, du hättest etwas getan, etwas Böses, wie ich annehme. Erzähle mir, was dich dazu bringt." Der letzte Satz war keine Bitte mehr, es klang wie der Befehl von jemanden, der keine Widerrede dulden würde.

    Der Hochelf ließ sich seuftzend wieder ins Gras sinken und mied den Blick seines Kampfgefährten. "Ab und zu überkommt es mich... In Manchen von uns brennt das Schwarze Feuer... Und dann muß ich jemanden töten." Das war also das Geheimnis - nein, nicht das ganze und sicherlich auch nur die halbe Wahrheit, aber Ijo nickte. Ja, es passte zu dem, was er gespührt hatte, als er einen Augenblick lang in die Seele seines Kampfgefährten gesehen hatte. Dieser dunkle Sog, mit einer Anziehungskraft, wie der verführerische Gesang einer Sirene. Er konnte beinahe fühlen, wie Othender dagegen ankämpfte, mitgerissen zu werden. "Ich habe es unter Kontrolle... meistens..." Die Stimme des Hochelfen klang so, als wäre er den Tränen nahe. "Wenn du lieber alleine weiter reisen willst, dann versteh ich das..." Ijo machte schon den Mund auf, um zu antworten, als sich seine Gedanken plötzlich überschlugen. Es mußte einen Grund geben, daß sie aufeinander getroffen waren, nein, das konnte kein Zufall sein. Genauso wenig, wie diese seltsame Anziehung zwischen den beiden. Also stand der Waldelf auf und ging vor seinem Gefährten in die Knie. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter, worauf Othender den Kopf hob und Ijo tatsächlich Tränen in seinen Augen glitzen sah. War das, weil er glaubte, versagt zu haben, oder weil er davon ausging, daß ihn der Barde wegschicken würde? Konnte auch Oth diese Verbindung spüren, die zwischen ihnen beiden bestand? "Es ist nichts geschehen. Jeder von uns hat seine persönlichen Dämonen, die er im Zaum halten muß." Ijo wunderte sich beinahe, daß ihm diese Worte so leicht von den Lippen kamen. Es war beinahe so, als würde er jemand anderem beim Sprechen zuhören. "Wenn du sagst, daß du dich unter Kontrolle hast, werde ich nicht an deinen Worten zweifeln. Viele Elfen, die ich bis jetzt getroffen habe, konnten das nicht von sich selbst behaupten. Wir wurden von einem bösartigen Gnom überfallen. Er hat versucht uns zu töten und obwohl sowohl er als auch sein untoter Diener durch meine Hand gefallen sind, wäre es ihm dennoch beinahe gelungen. Ein Zwerg kam glücklicherweise des Wegs." Bei seinen nächsten Worten musterte Ijo seinen Gefährten ganz genau um seine Reaktion zu erkennen. "Ein Paladin, der uns geheilt hat." Keine Reaktion zu entdecken. Diese verfluchten Haare machten es beinahe unmöglich, die Mimik des Hochelfen richtig zu erkennen. "Ich habe die Brosche gesehen." Die Augen des Hochelfen richteten sich wieder auf seinen Gefährten und Ijo sah darin heiße Wut emporsteigen. Rasch fuhr er fort: "Ich habe in deinen Sachen nach einem Trank oder ähnlichem gesucht, der uns vor dem sicheren Tod bewahren könnte. Ich wollte nicht stöbern, aber ich hatte keine andere Wahl." Die Wut war nicht verschwunden, aber der Elf nickte stumm. Ijo hatte sich eigentlich eine Erklärung erhofft, aber der Hochelf dachte gar nicht daran, noch etwas zu dem Thema zu sagen. "Oth, bist du ein Paladin? Ich weiß, daß mich das eigentlich nichts angeht, aber es wäre wichtig für mich, das zu wissen, wenn wir wieder in eine ausweglose Situation geraten. Ich möchte nur wissen, auf welche Fähigkeiten du zurückgreifen kannst." Der große Elf atmete tief durch und Ijo sah, wie er mit sich kämpfte. Der Barde dachte fieberhaft nach, wie er den Hochelfen dazu bringen konnte, sich richtig zu entscheiden, dazu, ihm jetzt möglichst viel zu erzählen. Aber plötzlich war die Wut gänzlich aus Othenders Augen verschwunden. Stattdessen konnte der Waldelf blanke Furcht erkennen.

    "Tunare steh uns bei!" Othender packte sein Schwert, rappelte sich auf und zog Ijo brutal mit auf die Beine. "Wir müssen hier weg!" Der Barde blickte ihn verständnislos an. "Aber der Zwerg meinte, hier ist es sicher... Ich dachte, wir können hier gleich übernachten..." "Es ist mir egal, was der Zwerg gesagt hat!" Unterband der Hochelf jeglichen Protest. "Wir gehen jetzt. Pack deine Sachen zusammen und beeile dich dabei!" Ijo bemerkte, wie der Hochelf nervös immer wieder gen Norden blickte. Aber der Barde konnte nichts entdecken. Auch nicht, als sie wieder aus der Senke kletterten. Othender rannte beinahe Richtung Süden und trieb den Waldelfen dazu an, schneller zu gehen. Als die beiden Stunden später völlig erschöpft ihr Nachtlager am Rande des Waldes aufschlugen, hatten sie die Horden von Untoten nicht gesehen, die in ihre Richtung gewandert waren. Nur wenige Stunden Fußm***** entfernt waren die Hügel bedeckt von einem tausende Wesen zählenden Heer, das zu Regungslosigkeit erstarrt auf weitere Befehle wartete.

  7. Standard

    Eine unruhige Nacht lag hinter Oth und so hatte er dunkle Ringe unter den Augen, als er sich erhob. Auch wenn Elfen am wenigsten Schlaf von allen Rassen benötigen, ganz ohne ging es nicht und der letzte Tag war sehr anstrengend gewesen. Ijo hatte nichts von dem bemerkt, was den Hochelfen so verängstigte, allerdings war Othender oft genug in der Wache das Barden hochgeschreckt und hatte auf irgendwas gelauscht, das der Waldelf nicht wahrnehmen konnte. Ijo hatte schon genug von der Welt gesehen, um den Hochelfen nicht für verrückt zu halten und so waren sie beide besonders vorsichtig, als sie am Morgen ihre Reise fortsetzten. Ab und zu verlangte Othender von dem kleineren Waldelfen, daß er auf einen Baum kletterte und die Umgebung absuchte. Nach was genau, konnte er nicht sagen, aber ein Mal glaubte Ijo etwas in der Ferne zu erblicken, im Norden. Dort schien das Grün der grasbewachsenen Hügel verblaßt zu sein. Der Barde hätte das sicherlich als optische Täuschung abgetan, aber Othender wurde so nervös, daß auch Ijo sich zu fragen begann, was dort hinten wirklich los war.

    Einen weiteren vollen Tagesm***** benötigten die beiden, bis der Waldelf verkündetet, daß sie sich schon ganz in der Nähe des Einsiedler befinden mußten. Er wußte nicht, wo genau sich der Barde zurückgezogen hatte und er befürchtete, daß er inzwischen zu scheu geworden war, um sich den beiden offen zu zeigen. Als er Oth seine Gedanken mitteilte, beschlossen die beiden, eine längere Rast zu machen. Anscheinend war der Hochelf weit genug von den seltsamen Geschehnissen im Norden entfernt, denn er schien sich keine Sorgen mehr zu machen. "Was hältst du davon, wenn wir etwas Gutes kochen? Ich glaube zwar nicht, daß wir einen Einsiedler mit köstlichem Bratenduft aus seiner Höhle locken können, aber einen Versuch wäre es wert. Ich organisiere einen Hasen oder ähnliches und du suchst Beeren und Gewürze?" Ijo nickte grinsend. Ja, ein gutes Mahl wäre jetzt genau das Richtige und da er wußte, daß Barden dem Genuß nicht gerade abgeneigt waren, teilte er auch nicht Oths Ansicht, daß dieser Versuch fehlschlagen mußte.

    Während Ijo gebückt den Waldrand absuchte, warf er ab und zu einen Blick auf seinen Kampfgefährten. Die Art, wie er Hasen jagte, faszinierte den Barden. Othender stand aufrecht und völlig bewegungslos mit geschlossenen Augen einige Meter entfernt in der Graslandschaft. Das Schwert hielt er mit ausgestreckten Armen hoch über seinem Kopf erhoben, allerdings deutete seine Spitze gen Boden. Ijo hatte schon öfters von Rangern oder Druiden gehört, die ihren Geist so mit ihrer Umgebung in Einklang brachten, daß sie die Nagetiere unter der Erde spüren und auch herausbefehlen konnten, aber er bezweifelte, daß die Methode des Hochelfen so funktionierte. Ijo fand einige saftige Wurzeln, würzige Blätter und mehrere Hand voll frischer Beeren in allen erdenklichen Rottönen. Er wußte, daß das, was er bisher für einen Plattenpanzer in Othenders Rucksack gehalten hatte, ein Set verschiedener Kochtöpfe aus Metall war - etwas, das er eher im Gepäck eines Halblings erwartet hätte, aber nicht bei einem Hochelfen - und war schon neugierig, ob sein Kampfgefährte damit auch umzugehen wußte.

    Als Ijo sich also wieder auf den Rückweg machte, sah er, daß Othender noch immer wie versteinert im Gras stand. Dann endlich, mit einer Bewegung, der das Auge beinahe nicht mehr zu folgen im Stande war, rammte er das Schwert tief in die Erde. Verwundert blieb der Waldelf stehn und bemerkte erst dann, daß im hohen Gras ein Hase, aufgespießt von dem Langschwert des haarigen Elfen, versteckt lag. Oth hob den Hasen auf und kam mit langen Schritten auf seinen Gefährten zu. "Kannst du das Fell abziehen? Es ist so gut wie nicht beschädigt, vielleicht haben wir später noch verwendung dafür, aber ich bin nicht sonderlich geschickt darin." Ijo nickte und deutete auf seine Ausbeute. "Ich hoffe, das reicht. Das Land hier ist karg, wir können froh sein, daß es in der Nähe tatsächlich Beerensträucher gibt." Othender nickte und packte seine Töpfe aus. "Ich hab schon aus viel weniger Zutaten einen guten Braten gemacht. Wenn du dem Hasen das Fell angezogen hast, kümmer dich bitte um Holz, wir brauchen ein kleines Feuer." Während Ijo das Tier häutete, schälte Othender die Wurzeln mit geübten Handgriffen, schnitt sie in einen Topf und gab die Beeren dazu - ein Teil zerdrückt, ein Teil ganz. Der Waldelf wunderte sich ein wenig über dieses seltsame Rezept, war aber für Neues immer zu haben.

    Als Ijo vom Holzsammeln zurückkam, hatte Othender den Hasen so weit vorbereitet, daß er ihn gleich auf einen geeigneten Ast steckte und mit dem Waldelfen gemeinsam eine einfache Halterung für den Spieß improvisierte. Es dauerte nicht lang, da lag ein süßlicher Duft über dem Waldstück und Ijo lief das Wasser im Munde zusammen.

  8. Standard

    Als die beiden Elfen am Abend den ganzen Hasen und das süße Kompott, daß Othender aus den Beeren und Wurzen gezaubert hatte, aufgessen hatten, ohne den Einsiedler damit anzulocken, begannen sie über andere Taktiken nachzudenken. Ijo hatte die Idee, den Barden mit Gesang zu locken. Allerdings mußte das dann ein Lied sein, daß ihm fremd war und der kleine Waldelf bezweifelte, daß die beiden so eine Melodie kannten. "Ich glaube, ich kann ein Lied singen, daß er noch nie gehört hat. Aber es ist nicht elfisch und klingt ein wenig... anders..." Ijo blickte den haarigen Hochelfen überrascht an und antwortete mit einem Schulterzucken: "Probier's. Aber sag mir vorher, ob ich mir die Ohren zuhalten soll..." "Das mußt du schon selbst wissen." Othender setzte sich aufrecht hin, grinste Ijo nochmals breit an, bevor er zu singen begann. Der Barde merkte bald, daß die Stimme des Hochelfen für das Lied nicht unbedingt geeignet war, und trotz der fremden Melodie und ungewohnten Harmonie fühlte er sich bald mitgerissen. Es klang fröhlich und unbekümmert, dennoch schwang eine leichte Melancholie mit, die Ijo an die Gesänge der Hochelfen erinnerte. Der Barde wartete, bis das Lied seines Kammeraden zu Ende war und fragte dann, da er diese fremde Sprache noch niemals gehört hatte, in der Othender gesungen hatte: "Von wo hast du denn das gelernt? Und worum geht es?" Oths breites Grinsen war wieder da, als er antwortete: "Das ist ein Lied, wie es bei den Trinkgelagen im hohen Norden oft gesungen wird."

    Othender war auf vieles vorbereitet, aber nicht auf den Schlag, den der entrüstete Waldelf ihm auf den Kopf versetzte. "Bist du von allen Göttern verlassen?! Damit hast du jeden Elfen in einem Umkreis von zig Meilen vertrieben, der diese primitive Sprache spricht!" Der haarige Hochelf hob schützend seine Arme und antwortete: "Du hast gesagt, ein Lied, daß er nicht kennt. Hier in Faydwer kennt kaum jemand Lieder aus Halas. Du hast nicht gesagt, daß es ein elfisches Lied sein muß!" Ijo ließ sich entmutigt wieder auf den Waldboden fallen und schlang seine Arme um den Leib. Oth musterte ihn nachdenklich. Er war sich wirklich keiner Schuld bewußt. Natürlich täte es ihm leid, hätte er damit wirklich ihre Chancen geschmälert, aber der Waldelf hatte nichts davon gesagt, daß manche Lieder verboten wären. Und außerdem gefiel diese eine Melodie dem Hochelfen besonders gut. Er konnte nicht verstehen, daß irgendjemand deswegen reißaus nehmen sollte.

    Nach wenigen Minuten, als Oth sich dazu aufgerafft hatte, die Überreste von der Zubereitung ihres Abendessens wegzuräumen, sagte Ijo leise und vorwurfsvoll: "Von deinem Gesang hab ich jetzt auch noch Bauchschmerzen bekommen..." Nun war der große Hochelf vollends verunsichert. Ja, es gab Leute, die behaupteten, er würde in ihnen Übelkeit hervorrufen, schon wenn er nur den Mund öffnete, aber er hatte das bißer eigentlich immer als gemeinen Ausspruch abgetan. Konnte es sein, daß er diesen Elfen Unrecht getan hatte? Konnte es sein, daß Ijo tatsächlich vom dem Lied Schmerzen hatte? Der Hochelf ging neben seinem Kammeraden in die Knie und sagte voll schlechten Gewissens: "Es tut mir leid, daß du jetzt leiden muß, bloß weil ich gesungen habe, mein Freund. Ich verspreche dir, ich werde das nie wieder tun, wenn du in Höhrweite bist." Aber der Waldelf schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht vor Schmerzen. "Ist schon in Ordnung... da war wohl irgendwas im Essen..." Othender begann fieberhaft zu überlegen, wie er seinem Kampfgefährten helfen konnte, während der von immer heftiger werdenden Krämpfen gequält wurde, aber der Hochelf mußte sich bald eingestehen, daß er zuwenig von den Wurzen, Kräutern und Beeren wußte, die hier wuchsen, um etwas unternehmen zu können. Auch seine Salben würden hier nicht helfen. Als sich Ijo vor Schmerzen wimmernd am Boden krümmte, trat hinter einem Baum ein Mensch hervor. Er war nur wenig größer als Othender, und hatte in etwa seine Statur. Kurze graue Haare und ein sorgsam gestutzter Bart rahmten das Gesicht des Mannes ein, der mit einer einfach Lederrüstung bekleidet war. Oth hoffte, den mysteriösen Einsidler vor sich zu haben, wollte allerdings kein Risiko eingehen und zog deshalb seine Waffe. Der Mann hob beruhigend seine Hand und sagte in der Sprache der Waldelfen: "Ich will Euch nichts Böses. Es sieht so aus, als könntet Ihr meine Hilfe gut gebrauchen. Es liegt an Euch sie anzunehmen." Der Waldelf musterte den Menschen nachdenklich und kamm dann zu einem Entschluß: "Wir nehmen die angebotene Hilfe gerne an." Der Mann nickte und antwortete: "Folgt mir." Mit wenigen Handgriffen hatte der Hochelf ihre Sachen zusammengesammelt, schnallte sich beide Rucksäcke um, hob den kleinen Waldelfen vorsichtig hoch und ließ sich von dem Menschen in den düsteren Wald führen. Othender wunderte sich zwar, daß der Mensch seinen Weg so gut fand, aber er kam rasch zu dem selben Schluß, wie der Barde vor etlichen Nächten. Es mußte wohl ein verzaubertes Schmuckstück sein, daß seinen Träger auch im Dunklen sehen lassen konnte.

    Die Behausung des Mannes erinnerte den Hochelfen stark an Kelethin. Eine Plattform, die von zwei Bäumen getragen wurde, erstreckte sich etliche Meter über dem Waldboden. Darauf war ein kleines Haus mit zwei Zimmern gebaut. Groß genug für eine Person, aber zu klein für zwei zusätzliche Gäste und so wartete Othender draußen. Es dauerte nicht lange, dann kam der Mensch aus der Türe, die deutlich größer als in Kelethin war, und setzte sich neben den Hochelfen. "Euer Gefährte schlaft jetzt. Es wundert mich nicht, daß er Schmerzen hatte, das Eulenauge ist giftig. Es wundert mich allerdings, daß es Elfen gibt, die das nicht wissen." Oth zuckte mit den Schultern. "Ich bin kein Druide und nicht sonderlich bewandert in der Pflanzenkunde. Es gab immer Dinge, die mich mehr interessiert haben." Der Mensch nickte und musterte Othender genau. "Es ist aber noch verwunderlicher, daß Ihr überhaupt keine Symptome der Vergiftung zeigt. Ihr seid ein Hochelf, wenn ich mich nicht sehr irre. Auch für Euch ist die Knolle schädlich." Aber Othender zuckte nur mit den Schultern und antwortete mit einem Begriff aus der Menschensprache: "Mein Vater pflegte immer zu sagen, ich hab einen 'Saumagen'." Der Mann begann zu lachen und reichte dem Elfen seine Hand. "Ich bin Draennor, geboren in Freeport, aber beheimatet in Kelethin." Der Hochelf deutete eine leichte Verbeugung an und erwiederte: "Mein Name ist Othender. Seid Ihr ein Barde?" Draennor antwortete mit einem Nicken und als er Oths Erleichterung bemerkte, sprach er ihn auf Hochelfisch an: "Ich habe mir schon gedacht, daß Ihr beide mich suchen müßt. Sonst treibt es kaum jemanden hier her. Aber besprechen wir das morgen Früh. Jetzt sollte ich wieder nach dem Waldelfen sehen. Ich hoffe, es macht Euch nichts aus, hier draußen zu schlafen. Drinnen ist leider kein Platz und mein Bett wird von Eurem Kammeraden belegt."

  9. Standard

    Die Geschichte "Der Bote" gibt es jetzt auf der Everquestii.info Seite zu lesen, dort werde ich sie auch weiterhin fortsetzen. Einfach in der linken Navigationsleiste unter 'Media' auf Geschichten klicken!
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