"Das Ende allen Lebens", Zaq schob die kleine Öllampe näher an das verwitterte Pergament, um noch mehr der Worte entziffern zu können. So lange schon hatte er darauf gegiert dieses alte Buch mit dem knochigem Ledereinband in seinen Händen zu halten. Fast 2 Jahre lag es nun schon zusammen mit den Steuereinnahmen in dieser Höhle. Zwei Jahre, in denen Gras über ihren wenig rühmlichen Abgang aus des Königs Diensten gewachsen war. Zwei Jahre, in denen er mit seinen Männern auf den Augenblick gewartet hatte, an dem sie ihre Beute holen konnten. Und doch hatte er in diesem Moment keinen einzigen Blick für das viele Gold übrig, das wie eine festlich gedeckte Tafel vor ihm ausgebreitet lag. Dieses Buch, dieses alte Buch mit seinen seltsamen Symbolen auf dem Einband, hatte ihn gefangen genommen und er konnte seine Augen nicht mehr davon abwenden.
"Die Fegefeuer der Toten", titelte eine Seite mit finsteren Symbolen, die geradewegs aus der Hölle durch ihn hindurch zu starren schienen. Brennende Augen in einer Pyramide aus mystischen Zeichen, mit neun, scheinbar orkischen Totenschädeln über ihrer Spitze. Das Buch enthielt nur noch wenige Seiten und noch weniger des Textes war zu entziffern. Der größte Teil schien zu fehlen. Was noch erhalten war, war meist in einer Sprache oder mit Symbolen geschrieben, die er nicht verstand; oder in mehreren Sprachen, er war sich nicht sicher.
"Diese merkwürdigen Symbole", er sprach seine Gedanken laut aus, als er versuchte mit Hilfe des flackernden Lichts der Öllampe noch mehr zu entziffern. Er starrte so gebannt auf eines der Symbole, das eine Mischung aus einem Dolch und dem Banner der Elfen darstellen konnte, dass ihm nicht auffiel, wie sich heißes Öl aus der Lampe auf ein Stück Pergament ergoss. Sofort fing es Feuer, doch Zaq stand noch immer völlig regungslos über das Buch gebeugt.
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"Sir!", die Stimme war weit entfernt, "Sir!". Zaq regte sich nicht. Seine Kleider hingen verbrannt von seinem Körper und ein Gemisch aus Blut und Erde lag auf seinem Gesicht, als die Männer die Decke von ihm nahmen, mit der sie das Feuer gelöscht hatten. Im letzten Moment hatten sie ihn aus der brennenden Höhle ziehen können. "Was?", nur langsam kam er wieder zu sich. "Sir, was ist passiert?", die Stimme gehörte dem Sergeant seiner Einheit, oder was einmal eine Einheit der königlichen Steuereintreiber gewesen war. Sie hatten nie aufgehört ihn "Sir" zu nennen, wenn sie unter sich waren. Auch wenn sie in den Schatten lebten um sich zu verbergen und er längst kein Offizier mehr war. "Ich habe es gesehen", sagte Zaq leise, "ich habe unser aller Schicksal gesehen. Das Schicksal Telons, das Schicksal der Welt, unser Schicksal, das Schicksal der... der...". Seine Stimme brach ab. Ungläubig betrachteten ihn die altgedienten Soldaten, die in abgenutzte Straßenkleider gehüllt waren und ihr Leben mit Tagelohn, kleinen Diebstählen und Überfällen bestritten. Geduldig hatten sie auf diesen Tag gewartet, an dem sie, dank des Königs Steuerkasse, nie wieder einen Gedanken an Hunger verschwenden würden.
"Ich habe es gesehen", seine Hand bohrte sich mit letzter Kraft in die Robe des Sergeants, dann erschlaffte sie und Zaq fiel zurück in die Dunkelheit. Der Sergeant blickte auf ihn hinab und versuchte noch seine Worte zu verstehen, als ihm das Leder des Buches unter Zaq's Arm auffiel. Die Männer um ihn herum betrachteten ihn schweigend als er es aufhob und mit seinen Händen von den Spuren des Feuers reinigte. Er hielt den Einband in das Licht der Dämmerung und entzifferte die Schriftzeichen darauf.
"Darkstalker", las er leise und schaute dabei fragend auf Zaq, der sich nicht mehr regte.
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